Ein über 60 Quadratmeter großes Memory-Spiel lud Passant*innen im Dezember 2020 am Salzburger Residenzplatz zum Nachdenken über Salzburgs NS-belastete Straßen ein
Kein zu groß geratener Adventkalender, sondern ein Memory-Spiel mit 128 Plakaten sorgte am Mittwoch in der Altstadt für Aufsehen. Beim Residenzplatz lagen auf über 60 Quadratmetern große Memory-Karten am Boden ausgebreitet. Sie informierten über die 64 Straßennamen im Stadtgebiet, die bis heute Personen mit Verstrickungen im NS-Regime ehren. Passanten und Passantinnen waren eingeladen, die zusammengehörigen Schilder mit dem jeweiligen Foto eines Straßenschildes und der dazugehörigen historischen Information zu finden. “Die Geschichten hinter den NS-belasteten Straßennamen sind von der Politik lange genug unter den Teppich gekehrt worden”, erläutert Robert Obermair, Vorsitzender des Vereins Alpine Peace Crossing: “Diese Aktion war eine Einladung an die Salzburger und Salzburgerinnen, genauer hinzuschauen.”
64 problematische Ehrungen für NS-Akteure und -Profiteure
Nach dem aktuellen Wissensstand sind 46 Straßen und Plätze in der Mozartstadt nach prominenten NSDAP-Mitgliedern benannt – bis heute. Weitere 18 geehrte Personen waren zwar keine Parteimitglieder, aber Teil des NS-Regimes. Abseits einiger prominenter Fälle, wie der Josef-Thorak-Straße in Aigen, ist die dunkle Vergangenheit vieler belasteter Straßen wenig bekannt. So ist beispielsweise die Heinrich-Damisch-Straße in Parsch nach jenem Journalisten und Mitbegründer der Festspiele benannt, der als Sprachrohr für Antisemitismus und Nationalsozialisten diente und schon 1932 der NSDAP beitrat. “Die Rechercheergebnisse haben uns selbst erstaunt. Eines unserer Teammitglieder wohnt seit dreizehn Jahren in einer der NS-belasteten Straße, ohne es bisher zu wissen”, so Obermair.
Warten auf den Historikerbericht
Der Bericht der von der Stadt Salzburg beauftragten Historiker*innenkommission zu den Straßennamen sollte noch bis Jahresende vorliegen. Wie nach der Aktion von APC bekannt wurde, verzögert sich die Fertigstellung des Berichts allerdings bis Sommer 2021
Wenn dieser Bericht endlich fertig ist, muss die Salzburger Stadtpolitik endlich handeln. “Es liegt an der Stadtpolitik, ihre Verantwortung wahrzunehmen und nach jahrzehntelang verschleppten Debatten die überfälligen Schritte zu setzen. Das ist die Stadt den Opfern und ihren Nachkommen schuldig, aber auch den Bewohnern und Bewohnerinnen, die nicht gerne in NS-belasteten Straßen wohnen”, sagt Obermair. “Wir fordern von der Stadtpolitik, dass sie ihre Verantwortung wahrnimmt, d.h. wo angemessen Umbenennungen vornimmt und eine historische Kontextualisierung im öffentlichen Raum sicherstellt.”